Bereits seit längerem nehmen Techgiganten wie Amazon und Google den Versicherungsmarkt ins Visier. Auch Unternehmen aus anderen Branchen versuchen ihr Kerngeschäft durch Versicherungsprodukte auszubauen – der Vorstoß von IKEA ist hierfür ein Beispiel. Das merkt René Schoenauer, Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software, zu aktuellen Entwicklungen und Chancen auf dem Versicherungsmarkt an.
Bei genauerem Hinsehen zeige sich, dass aktuell kein Grund zur Panik bestehe. Vielmehr biete der Markteintritt neuer Player den Versicherern Chancen. Amazon habe im vergangenen Jahr in den USA mit dem Amazon Insurance Accelerator einen weiteren Schritt in den Versicherungsmarkt gemacht. Das Netzwerk aus Versicherern, zu dem auch die Munich Re, Hiscox und Chubb gehören, stellt Verkäufern auf der Handelsplattform eine Betriebshaftpflichtpolice zur Verfügung. Die Police sichere finanzielle Schäden ab, die Kunden durch den Kauf defekter Ware entstehen. Das neue Versicherungsangebot von Amazon war der einzige große Coup. Auf lokaler Ebene gab es 2021 einige Kooperationen. So hat sich zum Beispiel die Sparkassen Direktversicherung mit einem umsatzstarken Möbelhändler zusammengeschlossen. Kunden können jetzt beim Online-Möbelkauf schnell und einfach eine Hausratversicherung abschließen; dabei stehen zwei Produktvarianten zur Verfügung. Dieses Embedded-Insurance-Modell zeige, dass der Markt nicht nur von versicherungsfremden großen Unternehmen verändert wird, sondern dass auch etablierte Versicherer nach Partnerschaften streben, um ihr Geschäft auszubauen.
Trotz aller Bewegung am Markt: Die branchenverändernden Effekte neuer Zusammenschlüsse und Geschäftsmodelle seien bisher ausgeblieben. Und längst nicht alle Vorstöße in den Versicherungsmarkt waren laut Schoenauer erfolgreich. Dies deute darauf hin, dass branchenfremde Unternehmen wie die Techgiganten Amazon, Google & Co. sich immer noch in einer Orientierungsphase befinden. Amazon dränge zwar einerseits auf den Versicherungsmarkt, um neue Geschäftsfelder zu erschließen – das Unternehmen hat laut Statista im Jahr 2020 nur noch rund 50 Prozent seines Umsatzes über E-Commerce erzielt. Andererseits positioniert Amazon sich selbst als Vermittler zwischen Versicherern und Onlinehändlern.
Es zeichne sich zunehmend ab, dass sich die Techgiganten eher als Kooperationspartner denn als Konkurrenten der etablierten Versicherer verstehen. Die einzelnen Geschäftsmodelle variieren dabei sehr stark. Allerdings bleibt abzuwarten, ob Amazon und Co. sich auf Dauer mit der Rolle als Partner zufriedengeben oder doch wieder stärker in die Angriffsposition wechseln. Die klassischen Versicherer seien gut beraten, sich mit der potentiellen Konkurrenz zusammenzuschließen – wenn es sinnvoll und möglich sei. Die Techgiganten und globalen Player seien Vorreiter beim Aufbau von digitalen Ökosystemen und Plattform-Modellen, die einen Mehrwert bieten. Von dieser Erfahrung könnten Versicherer nur profitieren. Dies erfordere jedoch ein Umdenken bei den Versicherern: Laut dem „World InsurTech Report 2020“ ist die Mehrheit der Insurtechs in Deutschland an einer Zusammenarbeit mit großen Tech-Unternehmen interessiert, während die etablierten Versicherer noch sehr verhalten sind. (DFPA/mb1)
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