Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob in Mietverträgen über Wohnraum vereinbart werden darf, dass der Mieter für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses an einen vom Vermieter zur Verfügung gestellten Breitbandkabelanschluss gebunden ist.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Die Beklagte ist Vermieterin von mehr als 120.000 Mietwohnungen, von denen ein großer Teil – nach Angaben der Beklagten etwa 108.000 – an ein Kabelfernsehnetz angeschlossen ist, über das Fernseh- und Hörfunkprogramme übertragen werden und das auch für andere Dienste wie Telefonate und Internet genutzt werden kann. Das Entgelt, das die Beklagte für die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen über das Kabelnetz zahlt, legt sie nach den Mietverträgen als Betriebskosten auf ihre Mieter um. Für die Mieter besteht keine Möglichkeit, während der Dauer des Mietverhältnisses die Versorgung ihrer Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen zu kündigen.
Die Klägerin sieht einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 43b TKG darin, dass die Mietverträge keine Regelungen enthalten, nach denen die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-TV- oder Kabel-Internet-Anschlusses wenigstens zum Ablauf einer Laufzeit von 24 Monaten kündbar ist, und die Beklagte nicht den Abschluss von Mietverträgen anbietet, nach denen die Bereitstellung solcher Anschlüsse auf eine Laufzeit von höchstens 12 Monaten begrenzt ist. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 43b TKG und kein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten zu. Die Vorschrift des § 43b Satz 1 TKG, nach der die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten 24 Monate nicht überschreiten darf, sei im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern nicht anwendbar. Es sei schon fraglich, ob die Beklagte einen Telekommunikationsdienst anbiete, also einen Dienst, der nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 24 TKG „ganz oder überwiegend“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze besteht. Wesentlicher Kern der von der Beklagten geschuldeten Leistung sei die Gewährung des Gebrauchs der vermieteten Wohnung. Der in der Übertragung von Signalen bestehende Dienst der Beklagten sei jedenfalls nicht „öffentlich zugänglich“. Bei den Mietern eines Mehrfamilienwohnhauses handele es sich nicht um einen unbestimmten Personenkreis, sondern um eine von der Öffentlichkeit durch ihre Eigenschaft als Mieter von Wohnungen in bestimmten Immobilien klar abgegrenzte Personengruppe. § 43b TKG sei im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern auch nicht entsprechend anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz fehle.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Vorinstanzen:
LG Essen – Urteil vom 31. Mai 2019 – 45 O 72/18
OLG Hamm – Urteil vom 28. Mai 2020 – I-4 U 82/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 3 Abs. 1 UWG
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
§ 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
§ 3 Nr. 24 TKG
Im Sinne dieses Gesetzes […] sind „Telekommunikationsdienste“ in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen.
§ 43b TKG
Die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten darf 24 Monate nicht überschreiten. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sind verpflichtet, einem Teilnehmer zu ermöglichen, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten abzuschließen.
Karlsruhe, den 5. Februar 2021
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